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Mehr als 48 Prozent des Studienangebots seien bisher umgestellt, heißt es in einem Zwischenbericht zum »Bologna-Prozess«, den Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) Anfang Mai im Bundeskabinett vorlegte. Demnach werden in diesem Semester an 338 Hochschulen 5.660 Bachelor- und Masterstudiengänge angeboten.

Die Berliner Zeitung freut sich über die überdurchschnittlich hohe Quote der »umgestellten« Studiengänge in Berlin und berichtet über die Ergebnisse einer eigenen Umfrage:

An der Humboldt-Uni gibt es 50 Bachelor- und 37 Masterstudiengänge. Das entspricht 90 Prozent der Abschlüsse. An der Freien Universität beträgt der Anteil 94 Prozent, und an der TU machen sich vom Wintersemester 2007/08 an alle Studienanfänger auf dem Weg zum Bachelor.

Bis 2010 soll die Reform abgeschlossen sein. So hatten es die europäischen Bildungsminister 1999 in Bologna beschlossen, um einen einheitlichen Hochschulraum in Europa zu schaffen. Die gestuften Abschlüsse sollen dann in allen 29 beteiligten Ländern anerkannt werden. Dazu gehört auch ein einheitliches Punktesystem (ECTS) zur Bewertung von Studienleistungen, das bisher bei zwei Drittel der neuen Studiengänge in Deutschland angewendet werde. Für den Bachelor ist in der Regel eine Studienzeit von drei Jahren vorgesehen, für den Master noch einmal zwei Jahre.

Als Vorteil der neuen Studiengänge sieht der Bericht, dass ein Student bereits nach drei Jahren mit einem Abschluss in die Berufswelt einsteigen könne. Die Akzeptanz der neuen Abschlüsse sei gewachsen. Laut einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln sind drei Viertel der Unternehmen bereit, Bachelor-Absolventen zu beschäftigen. Dennoch waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Wintersemester 2005/06 nur rund 249 000 – 12,5 Prozent – der Studenten in den neuen Studiengängen eingeschrieben.

Einige Universitäten und Fachhochschulen zögern allerdings noch immer, sich dem international längst durchgesetzten System der gestuften Studiengänge anzuschließen.

Manche Privathochschulen fürchten gar, konservativ eingestellte Interessenten zu verlieren, und stellen daher nur verspätet um oder versuchen gar, den alten und den neuen »Wein« parallel anzubieten.

Wenn Bachelor-Absolventen im Bereich Bauingenieure von der Bundesagentur für Arbeit laut Berliner Zeitung nachgesagt wird, dass viele Arbeitgeber die geringe Qualifikation der Absolventen bemängelten, kann das aber sicher nicht am Abschluss, sondern nur an der falschen Umsetzung des Bachelor-Konzepts der Hochschulen liegen:

Solange die Lehrenden immer noch quantitativ und Input-orientiert (»Wie viele Lehrinhalte können in den Nürnberger Trichter hineingeschaufelt werden?«) statt qualitativ und Output-orientiert (»Wie können die Berufsziele der künftigen Absolventen möglichst effektiv angesteuert werden?«) vorgehen, gerät die Umstellung auf das zweistufige System im Deutschland immer mehr zum Fiasko. Die neuen Abschlüsse »funktionieren« eben nur, wenn an den Hochschulen auch neu gedacht und tatsächlich neu, also anders, gehandelt wird!