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Zwei richtungsweisende Veröffentlichungen dieses Monats deuten darauf hin, dass der Unterschied zwischen Fachhochschule und Universität auf Dauer keinen Bestand mehr haben wird: ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts und die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Rolle der Fachhochschulen im Hochschulsystem.

Die Studienstrukturen und -abschlüsse der beiden Hochschulformen haben sich durch die Umstellung auf Bachelor und Master angeglichen, sie werden nach denselben Kriterien akkreditiert und auch die Abschlüsse von Uni und FH sind inzwischen gleichwertig – das führt zu einer immer tiefer greifenden Angleichung in der deutschen Hochschullandschaft, wie in neuesten Publikationen des wichtigsten Wissenschaftsgremiums und des höchsten Gerichts Deutschlands deutlich wurde.

Gleichwertigkeit der Abschlüsse.

Der Wissenschaftsrat (WR), dessen Mitglieder vom Bundespräsidenten ernannt werden, hatte am 5. Juli 2010 seine ausführlichen „Empfehlungen zur Rolle der Fachhochschulen im Hochschulsystem“ bekanntgemacht. Darin verweist das für die tertiäre Bildung in Deutschland maßgebliche Gremium auf die Gleichstellung der Fachhochschulen mit den Universitäten in der Wertigkeit der neuen Studienabschlüsse.

Der WR fordert den öffentlichen Dienst auf, die FH-Absolventen nicht länger zu benachteiligen, deren Abschlüsse ja nun mit denen der Universitäten gleichwertig sind.

Er fordert die Universitäten auf, den FH-Absolventen nicht länger den Zugang zur Promotion zu erschweren. Der WR empfiehlt gar formelle Kooperationen zwischen Fachhochschulen und Universitäten sowie gemeinsame Graduate Schools mit kooperativen Promotionsverfahren.

Er schlägt die Schaffung von Forschungsprofessuren an den Fachhochschulen vor, mit gleichem Lehrdeputat wie bei Forschungsprofessuren an Universitäten üblich.

Gleichwertigkeit der Professuren.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) veröffentlichte am 27. Juli 2010 sein Urteil 1 BvR 216/07 vom 13. April 2010, in dem es um die Lehrfreiheit eines Fachhochschulprofessors geht. Von einem konkreten Fall ausgehend definiert das Gericht zwei wichtige Leitsätze:

  1. Fachhochschullehrer, denen die eigenständige Vertretung eines wissenschaftlichen Faches in Forschung und Lehre übertragen worden ist, können sich auf die Freiheit von Wissenschaft, Lehre und Forschung (Art. 5 Abs. 3 GG) berufen.
  2. Anweisungen hinsichtlich der Lehre berühren indes das Recht des Hochschullehrers, sein Fach in Forschung und Lehre zu vertreten.

Damit stellen sie die FH-Professoren den Uni-Professoren mit Blick auf die im Grundgesetz verankerten Rechte der Freiheit von Wissenschaft, Lehre und Forschung gleich.

In den Erläuterungen des Beschlusses legt das Gericht dar, dass Bundes- und Landesgesetzgeber in den vergangenen Jahren Universitäten und Fachhochschulen einander angenähert haben und grundsätzlich keine unterschiedlichen Regelungen mehr in den Gesetzen bestehen (Abs. 44).

Die 1982 und 1983 vom selben Gericht noch getroffene Unterscheidung zwischen wissenschaftlichen Ausbildungszielen an Universitäten und Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit durch anwendungsbezogene Lehre an den Fachhochschulen will das BVerfG nun, 2010, nicht mehr aufrechterhalten (Abs. 45). Auch die Fachhochschulen seien durch die Landeshochschulgesetze inzwischen zur Forschung beauftragt worden (Abs. 51).

Konkretisiert wird die Gleichstellung für die Professoren an Fachhochschulen hier dadurch, dass das BVerfG ihnen zuspricht, was bislang nur für Professoren an Universitäten als beanspruchbar galt: „Kern der vorbehaltlos gewährten Lehrfreiheit ist insbesondere die freie Wahl von Inhalt und Methode der Lehrveranstaltungen.“ (Abs. 59)

Die Zuweisung von fachfremden Lehraufgaben sieht das Gericht als Beeinträchtigung der Lehrfreiheit. Es verdeutlicht, welches Instrument hinter solchen Zuweisungen lauert: „Eine unbeschränkte Möglichkeit für die Hochschulorgane, dem Hochschullehrer fachfremden Unterricht abzuverlangen, würde nicht nur dessen durch die Lehre des eigenen Faches bestimmter Lehrfreiheit nicht gerecht, sondern könnte auch zur Sanktionierung missliebiger Lehre im eigenen Fach benutzt werden (vgl. dazu BVerfGE 122, 89 <107>)“ (Abs. 61).

Fazit.

WR und BVerfG haben in diesem Jahr eine enorme Aufwertung der Fachhochschulen vorgenommen. Die Abschlüsse der beiden Hochschulformen sind längst gleichwertig, nun sollen die Fachhochschulen ihre Professoren für Forschung freistellen, wie an Universitäten von jeher üblich, und sich an Promotionsprogrammen beteiligen. Zudem bestehen keine unterscheidenden gesetzlichen Regelungen mehr und auf den grundgesetzlichen Schutz der Freiheit von Wissenschaft, Lehre und Forschung können sich ab jetzt die Professoren beider Hochschulformen gleichermaßen berufen.

Ob das vom WR geforderte weitere Nebeneinanderbestehen der beiden Hochschulformen auch in Zukunft noch sinnvoll und tragfähig ist, wird sicherlich dann zu diskutieren sein, wenn die Fachhochschulen die Weichenstellungen dieses Sommers zu ihrer Weiterentwicklung gut umgesetzt haben.

Nachwort.

Auch die inzwischen von HRK, KMK und Gesetzgebern angewandte Namensgleichheit „Hochschule“ für Fachhochschulen wie für Universitäten zeigt, dass der frühere Unterschied zwischen den beiden Formen verschwindet.

So heißen beide Formen immer öfter „Hochschule“: Die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule in Aachen beispielsweise ist in der neuen Sprechweise eine „Hochschule mit Promotionsrecht“ (Universität) und die Hochschule Niederrhein beispielsweise ist eine „Hochschule ohne Promotionsrecht“ (Fachhochschule).

In immer mehr deutschen Bundesländern haben die Ministerien in den letzten Jahren die Umbenennung von „Fachhochschule xyz“ zu „Hochschule xyz“ selbst strategisch vorangetrieben – es handelt sich also nicht um vereinzelte Initiativen.