Seite wählen

Der diesjährige Promotionskurs der Graduate School in Utrecht ist gestartet. In der „Course Week“ erarbeiteten sich die 25 Teilnehmer im Januar die Grundlagen für dieses spannende Jahr, in dem sie sich mit einem „Proposal“ auf das eigentliche Doktoratsstudium vorbereiten werden.

Die entscheidenden Impulse setzten gleich zu Beginn die Verantwortlichen der Graduate School. Caroline Suransky führte in die Besonderheiten der humanistischen Forschung ein, die grundsätzlich interdisziplinär ausgerichtet ist.

Hans Alma, Rektorin der Universität, differenzierte den Anwendungsbezug dieses Forschungskonzept: Hier solle nicht mehr über das oft gemeinte „Anwenden“ im Sinne von Impulsen aus der Wissenschaft für die Berufspraxis die Rede sein, sondern über „Valorisation“ als ein dialogischer Prozess, bei dem die Impulse aus dem Praxisfeld ebenso zur Theoriebildung beitragen und auch zur Herausforderung werden, bedarfsgerecht neue Methoden in den Wissenschaften zu entwickeln.

Dabei gehe es darum, kritisch und konzeptionell mit dem eigenen Praxisfeld umzugehen, unterstrich die Rektorin. Auch stellte sie heraus, dass es der Universität um das sinnerfüllte Leben des Einzelnen und der Gemeinschaft gehe, sie sich dabei aber nicht als ideologisch verstehe, sondern als in alle Richtungen – auch die eigene – wissenschaftlich und daher ideologiekritisch, sowie als offen zum Gespräch und zur Zusammenarbeit mit allen Weltanschauungen.

Normative Professionalisation.

Harry Kunneman, akademischer Direktor der Graduate School, fokussierte auf das Spannungsfeld zwischen den sogenannten objektiven Gegebenheiten, an denen sich die Regeln und das Handeln von Wirtschaft und Gesellschaft orientieren wollen, und den individuellen Bedürfnissen der Menschen, die sich nach Freiräumen und Kreativität, nach eigenverantwortlichem und moralischem Handeln sehnen. Im Umgang mit diesem Spannungsfeld sieht er eine wichtige Funktion des Ansatzes seines Forschungsbereichs „Normative Professionalisation“. Die UvH verhalte sich dabei prinzipiell dialogisch.

Mitglieder der vier Forschungsbereiche der UvH stellten ihre Forschungsfelder und Forschungsinteressen vor. Zwar sollen die Kandidaten der Graduate School Themen aus ihrem eigenen Berufsfeld forschend aufgreifen, aber da es sich in den letzten Jahren immer wieder als hilfreich erwiesen hat, im Austausch mit anderen Teilnehmern eines Forschungsbereichs zu arbeiten, wird diese Möglichkeit zum Austausch von Beginn an eröffnet.

Auf dem Weg.

Und schließlich ging es in dieser Woche darum, bereits gut bestandene Proposals kennenzulernen, um das eigene Weiterarbeiten konsequent auf das anspruchsvolle Format hin auszurichten.

Für die Teilnehmer aus Deutschland stand natürlich auch die „Eroberung“ der schönen Universitätsstadt Utrecht auf dem Rahmenprogramm, inklusive einer kulinarischen Entdeckungstour gemeinsam mit einem Teilnehmer aus Leuven (Belgien) und mir.

Digitale Integration unter den besten Konzepten aus 2011.

Das Promotionskonzept „Digitale Integration“ ist derweil das am besten bewertete Promotionskonzept der Doktoranden-Gruppe 2011. Dabei geht es um den Einfluss funktioneller Internetnutzung auf das Wohlbefinden älterer Menschen.

„Während heranwachsende Generationen nahezu automatisch mit den kontinuierlichen Veränderungen der digitalen Welt konfrontiert sind, mangelt es älteren Menschen häufig an Wissen und Fertigkeit, um bis ins hohe Alter ein aktiver Teil der Mediengesellschaft zu bleiben. Der in diesem Zusammenhang verwendete Begriff der Digitalen Integration umfasst den Prozess des Lehrens, Erlernens und Anwendens von Handlungskompetenzen im Umgang mit dem Internet zum aktiven und nutzbringenden Einsatz des Mediums als Instrument der Teilhabe in einer medial geprägten Gesellschaft“, so der Verfasser der Studie.

Dazu hat der in Köln an der RFH studierte Medienökonom und inzwischen freiberufliche Berliner Dozent sowie Medienproduzent als berufsbegleitender Doktorand ein hervorragendes wissenschaftliches Konzept erarbeitet.

Das humanistische Forschungskonzept der UvH hat ihn dazu motiviert: „Während sich die Medienforschung dem Thema ‚ältere Menschen‘ fast ausschließlich unter ökonomischen Gesichtspunkten nähert, sucht die Humanistik nach Ansätzen für ein erfülltes Leben und besseres Miteinander. Zu zeigen, dass Medien und ihr kompetenter Einsatz einen gesellschaftlichen Beitrag im humanistischen Sinne leisten können, soll Ansatz und Ziel des Forschungsprojektes sein. Wissenschaftlich dort angesiedelt, wo sich gerontologisch geprägte Fragestellungen von Medienwissenschaft und Glücksforschung begegnen, soll die geplante Kausalstudie den interdisziplinären Dialog fördern, Lücken der Medienwirkungsforschung schließen, Konzepte der Geragogik überdenken und normative Ansätze hervorbringen.“

Der Berliner Forscher verfolgt dabei eine humanistisch orientierte Vorgehensweise: „Das Forschungsvorhaben versteht das Medienhandeln älterer Menschen nicht als Notwendigkeit, sondern als einen freiwilligen Akt zur Erweiterung des eigenen Wissens- und Handlungsspielraumes, frei von fremden, aufgezwungenen Interessen. Entgegen einer häufig anzutreffenden Problemorientierung geht der Forschungsansatz nicht von defizitären Verhältnissen aus, sondern sieht digitale Integration als selbstbestimmten Weg zur Teilhabe in einer medial regulierten Gesellschaft. Neben dem Einfluss funktioneller Internetnutzung auf das Wohlbefinden können gegebenenfalls weitere Zusammenhänge aufgezeigt werden; beispielsweise die Bedeutung digitaler Integration zur Vermeidung sozialer Isolation.“

Angesichts dieser Ausrichtung erwarten der Doktorand und seine beiden betreuenden Professoren – Martin Gertler und Gerty Lensvelt-Mulders – einen konstruktiven Forschungsprozess mit sowohl qualitativen als auch quantitativen empirischen Erhebungen und im wahrsten Sinne des Wortes Wert-vollen Resultaten.