Für ein Fernstudium mag das Modell „MOOC“ (Massive Open Online Course) passend sein – für das Präsenzstudium bietet sich aber eine andere neue Lehrform an: der „Inverted Classroom“, auch „Flipped Learning“ genannt. Ein heißer Junitag gab den Anlass: Wir wollten das einfach mal ausprobieren!
Nicht nur an Sommertagen haben Studierende das Problem, sich auf Vorgetragenes einzulassen, denn die Aufmersamkeitsspannen sind wesentlich kürzer geworden, seitdem Smartphones unsere Kommunikationsformen prägen. Warum sollten wir also nicht die Vorlesung ins Smartphone verlagern und die Nachbereitung gemeinsam anpacken?
Vorlesung online – Nacharbeit gemeinsam.
Die letzte Lektion dieses Semesters wurde also kurzerhand ins „Flipped Learning“ verlagert. Drei Video-Lektionen entstanden; sie endeten stets mit mehreren Fragen, die die Studierenden während der nächsten Präsenzstunde mit dem Dozenten klären und vertiefen sollten.
Tatsächlich hatte der komplette Kurs die Lektionen bis zur nächsten Woche abgerufen, jeder hatte sich Notizen gemacht.
Auf diese Weise wurde ein intensiveres Klären von Fragen und Anwenden der Inhalte als sonst möglich..
Auch die Studierenden resümierten, dass dieses Lernen intensiver war, und: „Wir haben diese Vorlesung nun optimal für die Klausur ‚auf dem Schirm‘, besser als die vorherigen.“
Es erstaunt mich immer wieder, wie Studenten bereit sind, sich auf neue Lernformen einzulassen.
Im Gymnasium ist die Art des Lernens, dass der Schüler in Vorleistung geht, indem er einen Film anschaut oder ein pdf liest, nicht verbreitet.
Alles muss zuerst mal „DURCHGENOMMEN“ werden.(d.h. an der Tafel erklären und dann ins Heft schreiben) Halte ich dieses Ritual nicht ein, verlieren die Schüler ihre Orientierung. Sie sagen, sie wüssten überhaupt nicht mehr was sie lernen sollten.
Wie schafft man den Spagat von der Whiteboardtafel zum selbsterarbeiteten Wissen im Schulallltag?
Nun, das sind halt zwei unterschiedliche Paradigmen:
1. In der Schule herrscht Anwesenheitspflicht, in der Hochschule nicht (in NRW sogar verboten!)
2. In der Schule gibt es keinen definierten Workload mit Angaben zum Umfang des eigenständigen Lernens, in der Hochschule aber (seit Bologna / seit der Modularisierung) – und der Zeitaufwand für eigenständiges Lernen ist meist ca. doppelt so hoch wie die Präsenzzeit.
Daher sind (siehe 1.) Studierende oft nicht in der Vorlesung – wenn nicht, können sie aber auch kaum etwas nacharbeiten, sodass sie ihren Workload (siehe 2.) in Form der Nacharbeit gar nicht leisten könnten.
Somit können Studierende sich besser auf ein solches Konzept einlassen – und gerade die berufsbegleitend Studierenden tun es gern, denn so verpassen sie den Input nicht mehr, wenn sie (wie so oft) beruflich verhindert sind, die Lehrveranstaltung zu besuchen!
Den Switch zum „Flipped Classroom“ halte ich daher für Hochschulen mit Präsenzstudium für sehr sinnvoll, für Schulen hingegen nicht.